„Ene, mene, muh…“ – OLG Nürnberg zum Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten
dieses Spielchen müssen Grundversorger in Hinblick auf die Frage, wer ihre Vertragspartei geworden ist, nicht in jedem Fall länger mitspielen.
Das OLG Nürnberg hat jetzt mit Urteil vom 23.05.2014 (Az. 2 U 2401/12) entschieden, dass der Eigentümer eines Grundstücks, das im Rahmen der Grundversorgung beliefert wird, nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haftet, wenn er die erforderliche Mitteilung darüber, wer Kunde des Grundversorgers geworden ist (§ 2 Abs. 2 StromGVV), gegenüber diesem unterlässt.
Grundsätzlich kommt der Grundversorgungsvertrag nicht durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande, sondern dadurch, dass die Realofferte des Versorgers durch sozialtypisches Verhalten des Kunden (Entnahme von Strom) angenommen wird. Vertragspartner wird daher derjenige, der auf Grund seiner Verfügungsmacht über den Versorgungsanschluss die Leistung entgegennimmt (vgl. BGH NJW, 2003, 313 ff.). Dies kann neben dem Grundstückseigentümer z.B. auch der Mieter oder Pächter sein.
In dem vom OLG Nürnberg zu entscheidenden Fall kamen für das (widerklagende) Versorgungsunternehmen gleich mehrere Personen als Vertragspartei in Betracht: das Anwesen, über dessen Anschluss tatsächlich Strom entnommen worden war, gehörte zunächst der Ehefrau des (Wider-) Beklagten, bevor es im Wege der Zwangsversteigerung an ein Unternehmen mit Sitz in England veräußert wurde. Inhaber dieses Unternehmens sowie diverser anderer Firmen, die alle an der Abnahmestelle gemeldet waren, war der Beklagte. Er selbst war dort jedoch nicht gemeldet.
Im Prozess hat sich der Beklagte auf die formale Position zurückgezogen, weder Eigentümer des Hausgrundstücks noch Kunde des Versorgungsunternehmens zu sein, da er selbst keinerlei Strom entnommen habe. Gleichwohl nahm das Versorgungsunternehmen den Beklagten auf Zahlung der Rechnungsbeträge in Höhe von etwa 5.000,00 € in Anspruch.
Auch wenn dem Beklagten nicht nachgewiesen werden konnte, dass er selbst Strom an der Abnahmestelle entnommen hat, muss der Beklagte als Vertreter des Eigentümers gewusst haben, wer den Strom verbraucht hat. Nach Ansicht des OLG Nürnberg bestand zwischen dem Beklagten und dem Entnehmer des Stroms ein Näheverhältnis, das den Beklagten dazu verpflichtete, dem Versorgungsunternehmen mitzuteilen, wer Abnehmer des Stroms ist. Dieser Pflicht ist der Beklagte, obwohl ihm dies vermutlich leicht möglich gewesen wäre, jedoch nicht nachgekommen. Auch auf Nachfrage des Versorgungsunternehmens hatte der Beklagte keine Auskunft darüber gegeben, wer Vertragspartei geworden ist. Da der Beklagte bis zur Entscheidung keinerlei Angaben zum Kunden gemacht hat, hatte das Versorgungsunternehmen bis zum Schluss auch keine Kenntnis davon, wer Kunde während der Lieferzeit war. Hieran hat das Versorgungsunternehmen, das im Rahmen der Grundversorgung Elektrizität liefert, jedoch anerkanntermaßen ein besonders schützenwertes Interesse. Denn ohne die Kenntnis dessen, wer Vertragspartner ist, kann das Versorgungsunternehmen seine Ansprüche schließlich nicht durchsetzen.
Nach einer Gesamtschau aller Umstände stand zur Überzeugung des OLG Nürnbergs fest, dass der Beklagte gezielt verschwiegen hat, wer Abnehmer des Stroms und somit Vertragspartner des Versorgungsunternehmens war. Der Beklagte wurde deshalb gemäß § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung dazu verurteilt, den dem Versorgungsunternehmen mangels Durchsetzbarkeit des Anspruchs entstandenen Schaden in Höhe des Rechnungsbetrags zu ersetzen.
In seiner Entscheidung hat das OLG Nürnberg in erfreulicher Weise festgestellt: „Es gehört […] zum selbstverständlichen Allgemeinwissen, dass entnommener Strom bezahlt werden muss und dass derjenige, der den Strom liefert, die Person seines Vertragspartners kennen muss.“
Leider scheint dies in der Praxis jedoch immer wieder „vergessen“ zu werden, weshalb das Spielchen, wer Vertragspartner des Versorgungsunternehmens geworden ist und deshalb den entnommenen Strom zu bezahlen hat, wohl weitergehen wird.
Zuletzt noch ein Hinweis: Auch der BGH wird sich in zwei noch ausstehenden Entscheidungen (VIII ZR 313/13 und VIII ZR 316/13) mit der Frage, wer im Rahmen der Grundversorgung im Falle eines vermieteten bzw. verpachteten Grundstücks Vertragspartner des Versorgungsunternehmens geworden ist, auseinandersetzen. In beiden Verfahren wurde am 02.07.2014 hierzu mündlich verhandelt. Sobald wir Näheres erfahren, werden wir Sie hierüber in unserem Blog informieren.
Foto: OLG Nürnberg