Bezugsstrompreis bei kaufmännisch-bilanzieller Weitergabe; Darlegungslast für Strom-mengenabrechnung
Ein und dieselbe Strommenge aus einer EEG-Anlage kann – in der realen Welt – nicht gleichzeitig selbst verbraucht und zusätzlich noch dem Netzbetreiber überlassen werden. Aus diesem Grund entspricht es seit jeher der Branchenpraxis, dass im Fall einer kaufmännisch-bilanziellen Weitergabe (§ 11 Abs. 2 EEG 2023) von EEG-Erzeugungsmengen, die fiktiv in das Netz eingespeist und dem Netzbetreiber übereignet werden, für die Zwecke des Bilanzkreissystems und der vertrieblichen Abrechnung eine gegenläufige fiktive Ausspeise- und Liefermenge berücksichtigt wird.
Ob für solche rein fiktiven Stromlieferungen der betreffende Lieferant – neben dem Netto-Produktpreis und den eigentlichen Netzentgelten (hierzu bereits BGH, Beschl. v. 27.03.2012 – EnVR 8/11; Beschl. v. 12.07.2013 – EnZR 73/12) – auch die jeweiligen Umlagen gemäß EEG, KWKG, § 17f EnWG, § 19 Abs. 2 StromNEV, § 18 AbLaV sowie die Konzessionsabgaben von dem EEG-Anlagenbetreiber/Letztverbraucher verlangen kann, stand in zwei parallelen Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf in Streit. In seinen beiden Urteilen vom 26.10.2023 (Az. 14d O 1/18 u. 14d O 10/19 – noch nicht rechtskräftig) hat das Gericht diese Frage nunmehr bejaht und sinngemäß wie folgt begründet:
Da der Normzweck der kaufmännisch-bilanziellen Weitergabe allein darauf beschränkt sei, die volkswirtschaftlich unsinnigen Kosten für einen separaten (reinen) Einspeiseanschluss zu vermeiden, müsse sich der EEG-Anlagenbetreiber in jeder anderen Hinsicht wie bei einer physikalischen Einspeisung samt gegenläufigem (Netz‑)Bezug seiner Bedarfsmengen behandeln lassen. Wenn unter Geltung der so verstandenen Gesetzesbestimmung zur kaufmännisch-bilanziellen Weitergabe ein Stromliefervertrag geschlossen werde, dessen Preisregelung nicht zwischen physikalischer und fiktiver Lieferung differenziere, werde der vereinbarte Vertragspreis mit seinen sämtlichen Bestandteilen auch für die nur fiktiv gelieferten/bezogenen Strommengen geschuldet.
Aufschlussreich sind die beiden Urteile ferner bezüglich der Frage, wer im Rückforderungsprozess zwischen Letztverbraucher und Stromlieferant die Darlegungslast für das zutreffende Mengengerüst der Lieferabrechnungen trägt:
So führt nach dem dortigen obiter dictum des Landgerichts Düsseldorf jedenfalls dann, wenn der Stromliefervertrag die Zulässigkeit einer Zahlungsverweigerung (entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV) auf Fälle offensichtlicher Abrechnungsfehler oder einer klärungsbedürftigen Verdoppelung des Verbrauchsumfangs beschränkt, eine Zahlung unter pauschalem Vorbehalt im Zweifel nicht zu einer vollständigen Umkehr der Darlegungslast zulasten des Lieferanten. Vielmehr obliege es demnach auch im Rückforderungsprozess zunächst dem Letztverbraucher, konkrete Fehleranzeichen darzulegen, um dadurch eine eigene (sekundäre) Darlegungslast des Lieferanten zu begründen.
Das Landgericht Dortmund hat mit erstinstanzlichem Urteil vom 11.06.2021 (Az. 4 O 133/20, nicht rechtskräftig) entschieden, dass Strommengen aus einer älteren Bestandsanlage insoweit nicht der EEG-Umlage-Privilegierung gemäß § 61f EEG 2021 unterfallen, als der Eigenerzeuger sie an einem solchen Standort verbraucht, der in der Zeit vor dem bestandsschutzrelevanten Stichtag zum 01.09.2011 noch nicht aus dieser älteren Bestandsanlage versorgt worden ist. Damit hat das Gericht der Sache nach den betreffenden Standpunkt der BNetzA aus deren „Leitfaden zur Eigenversorgung“ vom Juli 2016 (dort Seite 104) bestätigt. Inwieweit diese Entscheidung in der Rechtsmittelinstanz überprüft werden wird, bleibt abzuwarten.
Für EltVU und Eigenversorger besteht nunmehr die harte Gewissheit, dass sie mit Blick auf die EEG-Meldepflichten gleichsam einer Garantiehaftung unterliegen: Bleibt rein objektiv am Ende eines Kalenderjahres die gemeldete hinter der tatsächlich angefallenen Strommenge zurück, löst dies ohne weiteres Zinsansprüche des ÜNB für die auf die Differenzmenge entfallende EEG-Umlage aus – und zwar in empfindlicher Höhe von 5% p. a.
