Keine Gebühren für Straßenaufbrüche von konzessionierten Unternehmen

18. Dezember 2014 um 09:50 von

BaustelleNeuerdings mehren sich die Versuche von Gemeinden, dem Netzbetreiber im städtischen Konzessionsgebiet neben den Konzessionsabgaben weitere „Gebühren“ abzuverlangen. Insbesondere sind die sog. Straßenaufbruchgebühren, welche Gemeinden für die Genehmigung und die Überwachung von Abreiten des Netzbetreibers an öffentlichen Wegen verlangen, in den Fokus gerückt. Das Verwaltungsgericht Aachen hat einem entsprechenden Ansinnen einer Gemeinde gleich in mehreren Verfahren eine Absage erteilt.

Für die Erteilung einer Genehmigung und die sich daran anschließende Gebührenerhebung fehle es an einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage. Unter Verweis auf einschlägige Rechtsprechung aus dem Telekommunikationssektor führte das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung aus, dass auch Straßenaufbrucharbeiten als eine „Benutzung“ von Straßen im Sinne des § 23 Abs. 1 StrWG NRW anzusehen seien. Daraus folge sodann, dass sich die Einräumung von Rechten zur Benutzung der Straßen (ausschließlich) nach bürgerlichem Recht richte. Aufgrund dessen sei der Gemeinde jedoch die Grundlage, hoheitlich zu handeln, entzogen. Die Parteien befänden sich somit nicht in einem Über-/ Unterordnungsverhältnis, sondern stünden sich gleichrangig gegenüber.

Darüber hinaus stellte das Verwaltungsgericht klar, dass auch die streitgegenständlichen Konzessionsverträge der Gemeinde kein Recht einräumten, Straßenaufbrucharbeiten durch Verwaltungsakt zu regeln. Denn in den dortigen Verträgen fänden sich durchgängig Formulierungen, die ebenfalls auf eine Gleichrangigkeit der Parteien schließen ließen.

Ferner äußerte das Verwaltungsgericht noch (nicht abschließend bewertete) inhaltliche Zweifel an der Bestimmtheit der städtischen Satzung. In den maßgeblichen Bestimmungen für die Gebührenerhebung würde nach kursorischer Einschätzung nicht hinreichend zwischen der Genehmigungserteilung und der Überwachung der Aufbrucharbeiten unterschieden.

Auf Anraten des Vorsitzenden Richters nahm die Gemeinde die streitgegenständlichen Bescheide in der mündlichen Verhandlung zurück. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts Aachen ist daher nicht in einem Urteil, sondern (nur) in dem Protokoll zur mündlichen Verhandlung dokumentiert.

Auch wenn dies in der mündlichen Verhandlung nicht mehr thematisiert werden musste, kann des Weiteren bezweifelt werden, ob eine Vereinbarung der Parteien im Konzessionsvertrag zu Gunsten der Gemeinde, für Straßenaufbrüche Gebühren verlangen zu dürfen, mit den Regelungen des § 3 KAV vereinbar wäre. Denn mit der Entrichtung der Konzessionsabgabe sollen nach mehrheitlicher Meinung (auch) diese Tätigkeiten abgedeckt werden.

Wie würden Sie entscheiden? – Anschlusssperre bei gemischt genutzten Netzanschlüssen

24. November 2014 um 07:00 von

justitia-421805_640Liebe Mandanten und Freund der Kanzlei,

mit unserem Blog möchten wir Sie nicht nur über aktuelle Themen rund um das Energierecht informieren, sondern Sie auch zum Diskutieren und zum aktiven Meinungsaustausch animieren. Aus diesem Grund werden wir in unregelmäßigen Abständen – meist umstrittene – Problemstellungen aufgreifen und in diesem Forum zur Diskussion stellen.

In unserem ersten Beitrag dieser Art sprechen wir das rechtlich bislang weitgehend ungeklärte Thema der Sperrung von gemischt genutzten Netzanschlüssen an.

Die Ausgangssituation ist recht einfach und schnell beschrieben. Ein Netzanschluss wird nicht allein durch eine einzige Person für die Entnahme von Strom genutzt, sondern durch mehrere Anschlussnutzer und/oder für die gleichzeitige Einspeisung von EEG-Strom. Gerät nun der eine oder einer der Anschlussnutzer in Zahlungsverzug und begehrt der Lieferant/Netzbetreiber die Unterbrechung der Anschlussnutzung, stellt sich die Frage, ob die Anschlussnutzung für alle angeschlossenen Kunden und auch für die Einspeisung unterbrochen werden darf.

Die sachverhaltlichen Varianten, in denen diese Problematik virulent wird, sind aufgrund der verschiedensten Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen der letzten zehn Jahre allerdings vielfältig. Gleichwohl existiert weitgehend noch keine, in Teilbereichen allenfalls eine nicht gefestigte Rechtsprechung.

Beispielhafte Problemfälle:

  1. Ein Netznutzer speist über einen Netzanschluss, den er auch zum Strombezug verwendet, Strom aus seiner EEG-Anlage ein. Gegenüber seinem Lieferanten/Netzbetreiber gerät der Kunde in Zahlungsverzug, so dass sein Vertragspartner die Sperrung des Anschlusses begehrt. Gegen dieses Vorhaben wendet der Anschlussnutzer ein, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 EEG ausdrücklich die unverzügliche und vorrangige Abnahme des EEG-Stroms anordne. Diesem Argument hält der Lieferant/Netzbetreiber entgegen, dass ihm ein Zurückbehaltungsrecht bis zum Wegfall des Verzugs zustehe.
  2. Über den Netzanschluss wird zwar kein EEG-Strom eingespeist, der Anschluss wird aber durch mehrere Personen genutzt. Einer der Anschlussnutzer gerät wiederum in Zahlungsverzug, weswegen sich der Lieferant/Netzbetreiber erneut auf sein Zurückbehaltungsrecht beruft und den Anschluss sperren (lassen) will. Die nicht säumigen Kunden halten diesem Vorhaben entgegen, dass schließlich nicht sie, sondern ein anderer Kunde zahlungssäumig sei. Eine Unterbrechung ihrer Versorgung sei daher wegen Unverhältnismäßigkeit nicht zulässig. Der Lieferant/Netzbetreiber steht auf dem Standpunkt „mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen“.
  3. Die Beispielsfälle 1 und 2 lassen sich vielfältig variieren. Insbesondere ergeben sich Verschiebungen der Interessenlagen je nach dem, ob der Lieferant oder der Netzbetreiber das Zurückbehaltungsrecht geltend macht. Darüber hinaus lassen sich die Fälle 1 und 2 auch kombinieren, wenn beispielsweise die EEG-Einspeisung im Wege der – ausdrücklich in § 11 Abs. 2 EEG vorgesehenen – kaufmännisch-bilanziellen Weiterleitung erfolgt.

Ein vom Gesetz-/Verordnungsgeber eindeutig vorgegebener oder durch die Rechtsprechung konkretisierter Umgang existiert bislang nicht, so dass eine erhebliche Rechtsunsicherheit in einem nicht unwesentlichen Themenkomplex besteht.

Was ist Ihre Meinung? Wie sind Ihre Erfahrungen? Wie lösen Sie die Probleme in Ihren Unternehmen? Haben Sie Kritik an der bestehenden Rechtsprechung? Haben Sie Anliegen an den Gesetz-/Verordnungsgeber?

Diskutieren Sie mit uns und anderen Blog-Lesern!

BGH gesteht Regulierungsbehörden Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu

2. September 2014 um 12:41 von

wenn-dannMit Beschluss vom 22.07.2014 (EnVR 59/12) hat der BGH in Bezug auf die §§ 19, 20 ARegV entschieden, den Regulierungsbehörden bei der Bestimmung von Qualitätselementen hinsichtlich der Auswahl der einzelnen Parameter und Methoden ein Spielraum zusteht, der in einzelnen Aspekten einem Beurteilungsspielraum, in anderen Aspekten einem Regulierungsermessen gleichkommt.

Ausgangspunkt war die Festlegung der Bundesnetzagentur (BK8-11/002) über den Beginn, die nähere Ausgestaltung und das Verfahren der Bestimmung des Qualitätselements hinsichtlich der Netzzuverlässigkeit für Elektrizitätsverteilernetze nach §§ 19, 20 ARegV vom 07.06.2011. Dort hatte die Bundesnetzagentur unter anderem den Beginn der Anwendung des Qualitätselements und dessen Anwendungsbereich sowie dessen Datengrundlage festgelegt.

Der Inhalt der Festlegung war unter anderem deshalb angegriffen worden, weil nicht erkennbar gewesen sei, welche Daten die Bundesnetzagentur ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hatte. Sämtliche Einwände der Beschwerdeführerin hat der BGH in der vorstehend zitierten Entscheidung jedoch zurückgewiesen. Bei Betrachtung des Wortlauts der §§ 19, 20 ARegV ist es nicht überraschend, dass der BGH der Regulierungsbehörde sowohl einen Beurteilungs- als auch einen Ermessensspielraum zuerkannt hat.

Bemerkenswert ist allerdings, dass der BGH unter Berufung auf die jüngste Rechtsprechung des BVerwG auf eine saubere Unterscheidung zwischen den beiden Spielräumen verzichtet. Zuzugeben ist, dass sich die Kontrollmaßstäbe bei einer Überprüfung der behördlichen Entscheidung inhaltlich nicht wesentlich unterscheiden. Allerdings ist darauf zu achten, dass dadurch zukünftig nicht unter dem Deckmantel des „Regulierungsermessens“ auf eine saubere Trennung zwischen der Tatbestands- und der Rechtsfolgenseite verzichtet werden wird. Denn inhaltlich macht es durchaus einen erheblichen Unterscheid, ob bereits der Tatbestand einer Norm nicht erfüllt ist und deshalb ein Einschreiten der Behörde von vorneherein ausscheidet oder ob die Behörde (lediglich) eine falsche Rechtsfolge angeordnet hat. Insofern ist das Aufweichen dieser nicht grundlos existierenden Grenzen nicht wünschenswert.

Verbraucher sollen gläserne Stromrechnung bekommen – oder wäre weniger vielleicht doch mal mehr?

17. Juli 2014 um 11:09 von

DSC_0196Diese (Titel der heutigen Welt im Internet) oder ähnliche Schlagzeilen liest man heute reihenweise. Wirtschaftsminister Gabriel plant eine transparente Stromrechnung, die eine genaue Auflistung über den Anteil von Stromsteuer und EEG-Umlage enthalten soll. Der Entwurf zur „Verordnung zur transparenten Ausweisung staatlich oder regulatorisch gesetzter Preisbestandteile in der Strom- und Gasgrundversorgung“ sei bereits mit dem Justizministerium abgestimmt und befinde sich zur Abstimmung bei den Ländern und Interessenverbänden, zitiert die Welt den Wirtschaftsminister.

War da nicht schon mal was? Ach ja, § 40 EnWG. Rechnungen eines Energieversorgers müssen einfach und verständlich sein. Dies erreicht man nach dem bisherigen Verständnis des Gesetzgebers, indem man neben Namen, ladungsfähiger Anschrift und zuständigem Registergericht sowie Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post, zur Angabe folgender Dinge verpflichtet:

  • die Vertragsdauer, die geltenden Preise, den nächstmöglichen Kündigungstermin und die Kündigungsfrist,
  • die für die Belieferung maßgebliche Zählpunktbezeichnung und die Codenummer des Netzbetreibers,
  • den ermittelten Verbrauch im Abrechnungszeitraum und bei Haushaltskunden Anfangszählerstand und den Endzählerstand des abgerechneten Zeitraums,
  • den Verbrauch des vergleichbaren Vorjahreszeitraums,
  • bei Haushaltskunden unter Verwendung von Grafiken darzustellen, wie sich der eigene Jahresverbrauch zu dem Jahresverbrauch von Vergleichskundengruppen verhält,
  • die Belastungen aus der Konzessionsabgabe und aus den Netzentgelten für Letztverbraucher und gegebenenfalls darin enthaltene Entgelte für den Messstellenbetrieb und die Messung beim jeweiligen Letztverbraucher sowie
  • Informationen über die Rechte der Haushaltskunden im Hinblick auf Streitbeilegungsverfahren, die ihnen im Streitfall zur Verfügung stehen, einschließlich der für Verbraucherbeschwerden nach § 111b einzurichtenden Schlichtungsstelle und deren Anschrift sowie die Kontaktdaten des Verbraucherservice der Bundesnetzagentur für den Bereich Elektrizität und Gas

Hinzu kommt die Stromkennzeichnung nach § 42 EnWG, nach dem zusätzlich informiert werden muss über:

  • den Anteil der einzelnen Energieträger (Kernkraft, Kohle, Erdgas und sonstige fossile Energieträger, erneuerbare Energien, gefördert nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, sonstige erneuerbare Energien) an dem Gesamtenergieträgermix, den der Lieferant im letzten oder vorletzten Jahr verwendet hat; spätestens ab 1. November eines Jahres sind jeweils die Werte des vorangegangenen Kalenderjahres anzugeben
  • Informationen über die Umweltauswirkungen zumindest in Bezug auf Kohlendioxidemissionen (CO2-Emissionen) und radioaktiven Abfall, die auf den in Nummer 1 genannten Gesamtenergieträgermix zur Stromerzeugung zurückzuführen sind

Auf die Darstellung weiterer Untergliederungen und Vorgaben zur Darstellung in den Rechnungen wird an dieser Stelle verzichtet. Denn auch ohne eine vollständige Wiedergabe aller Anforderungen an eine Rechnung eines Energieversorgungsunternehmens wird man diskutieren können, inwieweit dem Kunden derzeit schon eine gläserne Rechnung aufgezwungen wird. Aber was soll das Nachvollziehen einer Rechnung (noch) leichter machen; das man zudem in einer (weiteren) Verordnung regeln muss?

Angedacht sind Ergänzungen in den jeweiligen Grundversorgungsverordnungen Strom und Gas, nach denen (zusätzlich) folgende Preisbestandteile auszuweisen sein sollen:

Ergänzende Vorgaben zur Art der Veröffentlichung und Darstellung fehlen natürlich auch hier nicht.

In der Begründung zum Verordnungsentwurf liest man, dass der Grundversorger bisher nicht verpflichtet sei, die in die Kalkulation des Grundversorgungspreises eingeflossenen gesetzlich oder durch den Netzzugang veranlassten Kostenbelastungen auszuweisen. Aha, dem wird man ketzerisch entnehmen dürfen, dass die §§ 40 und 42 des EnWG nicht für Grundversorger gelten. Denn Redundanzen sind sicherlich nicht angedacht.

Weiter liest man, dass sich der Kunde zwar die einzelnen Bestandteile des ihm gegenüber ausgwiesenen Brutto-Endbetrags zusammensuchen könne, ihm aber eben nicht ohne nähere Nachforschungen deutlich werde, in welchem Umfang und in welcher Höhe dem Grundversorger entsprechende Kostenbelastungen entstehen. Gut, dass die Preisangabenverordnung (§ 3) zur Bündelung all dieser Informationen vor Vertragsschluss verpflichtet, damit der Kunde sich den Brutto-Preis nicht zusammenrechnen muss.

Im Übrigen: Eine Angleichung bzw. Harmonisierung der einschlägigen Bestimmungen im EnWG und in der Preisangabenverordnung sind nicht angedacht.

Man darf gespannt sein, was dabei am Ende des Tages herauskommt. Hoffen wir, dass der Versuch gelingt, mehr Transparenz statt weiterer Verwirrung zu schaffen. Denn es soll auch schon Leute gegeben haben, die gegen die Rechnungen eines Energieversorgers geklagt haben, weil sie die – wohlgemerkt: den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden – Pflichtangaben auf der Rechnung nicht verstanden haben. Interessant bleibt jedenfalls, wie viel Verordnung nötig sein wird, um beim Kunden Klarheit und Transparenz zu schaffen.

Inanspruchnahme von Grundstücken – BGH entscheidet zu Gunsten eines Grundstückseigentümers

11. Juli 2014 um 00:40 von

BGH 1004In unserem Blog-Beitrag vom 04.06.2014 hatten wir auf die immer wieder auftretenden Schwierigkeiten im Umgang mit der über § 12 NAV/NDAV eingeräumten Grundstücksbenutzung hingewiesen. Wie wichtig aber überhaupt eine gesetzliche, dingliche oder vertragliche Grundlage ist, hat die jüngste Entscheidung des BGH vom 16.05.2014 (V ZR 181/13) im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme fremder Grundstücke gezeigt.

Dort hatte sich der V. Zivilsenat mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Grundstückseigentümer seinen aus § 1004 Abs. 1 BGB erwachsenden Beseitigungsanspruch verliert, wenn zuvor jahrelang die Inanspruchnahme des Grundstücks durch eine unterirdisch verlegte Anschlussleitung des Nachbarn einvernehmlich geduldet wurde. Diese Frage hat der BGH ausdrücklich zu Gunsten des Grundstückseigentümers entschieden.

Insbesondere führt der BGH in den Entscheidungsgründen aus, dass die Verjährung des bereits vor Jahren entstandenen ursprünglichen Beseitigungsanspruchs keine Pflicht zur Duldung in der Zukunft begründet. Demgemäß kann die Beseitigung einer ursprünglich erlaubten Leitung jederzeit für die Zukunft verlangt werden oder selbst vorgenommen werden.

Des Weiteren betont der Senat, dass die einmal gestatte Verlegung der Leitung durch den ursprünglichen Eigentümer eines Grundstücks keine Bindungswirkung für dessen Rechtsnachfolger entfalten kann. Der BGH gesteht dem Eigentümer des in Anspruch genommenen Grundstücks sogar zu, eine einmal erteilte Gestattung jederzeit zu widerrufen und die aus seinem Eigentum ableitbaren Rechte aus § 1004 Abs. 1 BGB geltend zu machen.

Eine Duldungspflicht des Eigentümers gemäß § 1004 Abs. 2 BGB hätte sich danach allenfalls aus den Grundsätzen der Verwirkung (der Beseitigungsbefugnis des Eigentümers) herleiten lassen. Im konkreten Fall hatte der BGH aber auch dies verneint. Denn ursprünglich wurde die Leitung im Einvernehmen mit dem ehemaligen Eigentümer verlegt und betrieben. Mithin bestand für den Zeitraum bis zur Eigentumsübertragung auf den neuen Eigentümer eine schuldrechtliche Vereinbarung, welche die Grundstücksnutzung ausdrücklich gestattete. Solange aber der Eigentümer auf Grundlage einer schuldrechtlichen Vereinbarung auf die Ausübung seiner Rechte verzichtet, kann er in Bezug auf die Wahrnehmung seiner Beseitigungsansprüche nicht untätig im Sinne der Verwirkung sein.

Diese schuldrechtliche Vereinbarung endete schließlich (erst) mit der Eigentumsübertragung auf den neuen Eigentümer. Dessen Verhalten ließ aber nicht auf die Erfüllung der für die Annahme der Verwirkung erforderlichen Zeit- und Umstandsmomente schließen, da der neue Eigentümer im Gegenteil rasch die Beseitigung der Leitung verlangte. Dementsprechend standen dem neuen Eigentümer mit dem Ende des ursprünglichen Gestattungsvertrages (erneut) die Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB zu.

In Ermangelung einer (weiteren) rechtlichen Grundlage, welche die Nutzung des fremden Grundstücks gestattete, war dem Begehren des Grundstückseigentümers in Form der Entfernung der Leitung stattzugeben. Lediglich für Fälle mit besonderen Konstellationen und unbilligen Härten hat der BGH eine Hintertür offen gelassen. Um besonderen Umständen Rechnung tragen zu können, verwies der BGH für zukünftige Fälle auf die Prüfung einer aus § 242 BGB resultierenden unzulässigen Rechtsausübung des Grundstückseigentümers, sofern entsprechende Tatsachen vorliegen und vorgetragen sind.

Inwieweit diese Entscheidung uneingeschränkt auf Leitungen eines Energieversorgungsunternehmens übertragbar ist, wird die Zukunft zeigen. Unterschiede zwischen einer privaten Anschlussleitung und dem Betrieb eines Energieversorgungsnetzes lassen sich jedenfalls nicht nur argumentieren, sondern sollten auch in der künftigen Rechtsanwendung Berücksichtigung finden. Denn im Gegensatz zu der Leitung des Nachbarn dienen die Anlagen eines Netzbetreibers in aller Regel der öffentlichen Energieversorgung und damit nicht nur Singularinteressen. Die Entscheidung des BGH unterstreicht aber ein weiteres mal das Erfordernis, Duldungsrechte dauerhaft in geeigneter Form zu sichern.