Bundesverfassungsgericht bestätigt BGH zu Netzentgelten

19. Oktober 2017 um 17:39 von

justitia-421805_640Mit Beschluss vom 26.09.2017 hat das Bundesverfassungsgericht die Urteilsverfassungsbeschwerden (1 BvR 1486/16, 1 BvR 1487/16, 1 BvR 2490/16 und 1 BVR 2491/16; Pressemeldung) des Ökostrom- und Ökogasanbieters LichtBlick SE gegen mehrere BGH-Entscheidungen nicht zur Entscheidung angenommen. Der BGH hatte zuvor Klagen der LichtBlick SE (EnZR 50/14, EnZR 72/14, EnZR 19/15 und EnZR 20/15) wegen angeblicher Unbilligkeit aufsichtsbehördlich genehmigter Netzentgelte zurückgewiesen.

Mit ihren Verfassungsbeschwerden hatte sich LichtBlick insbesondere gegen die Rechtsprechung des BGH zur Indizwirkung der aufsichtsbehördlichen Entgeltgenehmigung gewandt.

Das Bundesverfassungsgericht weist in dem heute bekannt gewordenen Beschluss die Argumentation von LichtBlick zurück und bestätigt zugleich die Rechtsprechung des BGH. Der Gesetzgeber habe mit der Entscheidung für eine Ex-ante-Regulierung in zulässiger Weise der Rechtssicherheit in Bezug auf die Höhe der Netzentgelte ein größeres Gewicht zugebilligt als dem individuellen Kostenfeststellungsinteresse. Ausgehend hiervon beruhe die Annahme einer Indizwirkung in der Rechtsprechung des BGH nicht auf sachfremden Erwägungen.

Darüber hinaus erkannt das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Netzbetreiber trotz ihres natürlichen Monopols an. Unter welchen Voraussetzungen der Geheimnisschutz im Einzelfall gegebenenfalls hinter den Interessen des Nutznutzers zurückzustehen hat, musste das Bundesverfassungsgericht wegen der bereits ausgesprochenen Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerden allerdings nicht entscheiden.

LG Mannheim bestätigt Indizwirkung der genehmigten Erlösobergrenze

12. August 2015 um 10:01 von

money-73341_640Die Parteien stritten vor dem Landgericht Mannheim (8 O 159/14) über die Zahlungsverpflichtungen des Netznutzers aus einem Netznutzungsvertrag. Der Netzkunde bezweifelte dabei unter anderem die Billigkeit der vom Netzbetreiber verlangten Entgelte. Der Netzbetreiber verteidigte sich mit dem Argument, dass er seine Netzentgelte auf Grundlage der ihm nach der ARegV genehmigten Erlösobergrenze gebildet habe und deswegen eine Indizwirkung für die Billigkeit der Netzentgelte streite.

Im Ergebnis ist das Landgericht Mannheim dieser Argumentation mit Urteil vom 06.08.2015 gefolgt, so dass der gegnerische Unbilligkeitseinwand ins Leere ging. Aufgrund der von der Bundesnetzagentur festgesetzten Erlösobergrenze gemäß ARegV sei nämlich von der Billigkeit des Netzentgelts im Sinne des § 315 BGB auszugehen. Insoweit gelten nach der Rechtsprechung des Landgerichts für die anreizregulierten Netzentgelte keine anderen Grundsätze als die, die der BGH in seiner Entscheidung Stromnetznutzungsentgelt V vom 15.05.2012 (EnZR 105/10) für die kostenbasiert genehmigten Netzentgelte gemäß § 23a EnWG festgelegt hatte. Die Gegenseite hätte die Indizwirkung der zugunsten des Netzbetreibers festgesetzten Erlösobergrenze erschüttern müssen. Dies sei vorliegend nicht gelungen mit der weiteren Folge, dass der Klage stattzugeben war.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Weitere Niederlage für LichtBlick

10. Februar 2015 um 18:22 von

Strommast AusschnittEbenso wie das OLG Düsseldorf (Urteil vom 13.08.2014, VI-2 U 2/13), wir berichteten, hat nun auch das OLG München in einem Urteil vom 11.12.2014 (U 1928/14 Kart) dem Ökostromanbieter in Bezug auf die Rückforderung angeblich zu viel gezahlter Netzentgelte eine Absage erteilt. Auch in diesem Verfahren hatte LichtBlick behauptet, die Entgelte des dortigen Netzbetreibers seien – trotz entsprechender behördlicher Prüfung und Genehmigung – unbillig überhöht.

Dem Vertriebsunternehmen ist es nach Ansicht des OLG München aber nicht gelungen, die für die Billigkeit streitende gewichtige Indizwirkung zu erschüttern. Insbesondere reiche die Behauptung der Netznutzerin zu einer mangelnden Tiefe der behördlichen Prüfung nicht aus, die Indizwirkung entfallen zu lassen. Ebenso sei der Vortrag zu den einzelnen, angeblich überhöhten Kostenpositionen wie der Eigenkapitalquote, dem Eigenkapitalzinssatz, den Kosten für das vorgelagerte Netz, unzutreffende Anschaffungs- und Herstellungskosten etc. nicht überzeugend gewesen.

Stattdessen hätte LichtBlick entsprechend den vom BGH in seiner Entscheidung vom 15.05.2012 (EnZR 105/10, „Stromnetznutzungsentgelt V“) herausgestellten Grundsätzen konkrete Anhaltspunkte wie etwa unrichtige Tatsachenangaben des Netzbetreibers, die im Einzelfall zu einer Überhöhung der Entgelte führen könnten, vortragen müssen.

Da die Netznutzerin die Indizwirkung der Entgeltgenehmigung nicht zu erschüttern vermochte, bestand nach Ansicht des entscheidenden Senats auch kein Anlass zur Vorlage eines ungeschwärzten Bescheids.

Der auf die kartellrechtliche Anspruchsnorm des § 33 Abs. 3 GWB gestützte Hilfsantrag wurde ebenfalls als unbegründet abgewiesen. Auch in diesem Zusammenhang greife die Indizwirkung des Genehmigungsbescheids zu Gunsten des Netzbetreibers. Darüber hinaus sei aber auch kein Verschulden des Netzbetreibers feststellbar, weil dieser auf die Genehmigung der Regulierungsbehörde habe vertrauen dürfen. Schließlich fehle es an einem Schaden des Vertriebsunternehmens, weil dieses die Netzentgelte an die eigenen Kunden weitergereicht habe.

Neues zur Billigkeitsprüfung bei Netz(nutzungs)entgelten

27. August 2014 um 13:49 von

NetzWer gedacht hatte, dass das Thema „Billigkeitsprüfung bei Netz(nutzungs)entgelten“ inzwischen rechtlich endgültig abgearbeitet worden ist, der irrt. Dies zeigen jüngst veröffentlichte Entscheidungen des BGH unter den Kurzbezeichnungen Stromnetznutzungsentgelt VI und VII. Darüber hinaus hat das OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 13.08.2014 die BGH-Entscheidung Stromnetznutzungsentgelte V weiter konkretisiert:

In Stromnetznutzungsentgelt VI (KZR 27/13) bestätigt der BGH unsere Argumentation aus den ersten beiden Instanzen, dass die Rechtsprechung zur Indizwirkung genehmigter Netzentgelte nicht in sozusagen umgekehrter Richtung gilt, also nicht etwa das aufsichtsbehördlich genehmigte Netzentgelt die Unbilligkeit des höheren, zuvor unter der VV II plus verlangten Netznutzungsentgelts indiziert. Jedenfalls reiche, so der BGH, die im konkreten Verfahren festgestellte Abweichung der Netzentgelte von 9,75 % für eine solche negative Indizwirkung nicht aus. Darüber hinaus erteilt der BGH überzogenen Anforderungen an die Netzbetreiber, wie detailliert sie ggf. ihre Kostenkalkulation offen zu legen haben, eine Absage. Vielmehr reicht es aus, wenn die angesetzten Kosten im Einzelnen aufgeführt werden und darüber hinaus dargelegt wird, an Hand welcher Methoden diese Kosten aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung abgeleitet wurden (Textziffer 29 der Entscheidung Stromnetznutzungsentgelt VI).

Im Fall Stromnetznutzungsentgelte VII (KZR 13/13) bestätigt der BGH seine Rechtsprechung zur Verjährung von Ansprüchen auf Rückzahlung von Netzentgelten. Der BGH stellt unter Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss aus dem Jahre 2009 klar, dass der Beginn der allgemeinen Verjährung nicht wegen einer unübersichtlichen oder zweifelhaften Rechtslage hinausgeschoben war, sondern nach den allgemeinen Regeln am Ende des Jahres zu laufen begonnen hat, in welchem die vermeintlich überhöhten Netzentgelte geleistet wurden.

Allerdings lösen Abschlagszahlungen, die nicht auf einzelne Teilleistungen bezogen werden können, noch nicht den Beginn der Verjährung aus. Nach den Ausführungen des BGH dürfte die Verjährung bei der Netznutzung zur Belieferung von Standardlastprofilkunden typischerweise am Ende des Jahres beginnen, in welchem die Jahresrechnung gelegt worden ist. Bei RLM-Kunden dürfte es im Regelfall jedoch auf die einzelnen Monatsrechnungen ankommen, da diese auf einzelne monatliche Teilleistungen bezogen werden können.

Schließlich hat das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 13.08.2014 (VI-2 U 2/13) die Berufung eines besonders klagefreudigen Netznutzers mit Sitz in Hamburg gegen eine klageabweisende Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf zurückgewiesen. Im dortigen Fall ging es um die Rückforderung aufsichtsbehördlich genehmigter Netzentgelte.

Auch hier bestätigt das OLG Düsseldorf unsere Argumentation aus der ersten Instanz. Es nimmt dabei vor allem Bezug auf die Rechtsprechung des BGH aus der Entscheidung Stromnetznutzungsentgelte V zur Indizwirkung der aufsichtsbehördlich erteilten Entgeltgenehmigung. Aufgrund dieser Indizwirkung ist der Netznutzer im Rückforderungsprozess nach Ansicht des OLG Düsseldorf

„…mit allen Argumenten ausgeschlossen, die sich auf die generellen Schwächen der Datenerhebung sowie die generelle Dichte und Tiefe der Prüfung durch die Bundesnetzagentur beziehen.“

Vielmehr müssten darüber hinausgehende Umstände des konkreten Einzelfalls vorgetragen werden, um die Indizwirkung der Entgeltgenehmigung insgesamt zu erschüttern.

Da die Klägerin nichts dergleichen vorgetragen hatte, hat das OLG Düsseldorf konsequenterweise die Berufung zurückgewiesen. Es hat aber die Revision zugelassen. Womöglich können wir also an dieser Stelle demnächst über das BGH-Urteil Stromnetznutzungsentgelt VIII berichten.

BGH: Die Unzulässigkeit einer Verbrauchsschätzung schließt den Zahlungsanspruch des Versorgungsunternehmens nicht aus

25. November 2013 um 15:06 von

Zähler altMit Urteil vom 16.10.2013 (VIII ZR 243/12) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass eine unzulässige Verbrauchsschätzung nicht zu einem Forderungsausschluss auf Seiten des Versorgungsunternehmens führt. Sie hat lediglich zur Folge, dass der Versorger den der Rechnung zu Grunde gelegten, durch den Kunden jedoch bestrittenen Verbrauch zur Überzeugung des Gerichts nachweisen muss. Dabei ist, wenn eine exakte Ermittlung des tatsächlichen Verbrauchs auf andere Weise nicht möglich ist, eine gerichtliche Schätzung nach § 287 ZPO zulässig, sofern der Vortrag der Parteien eine hinreichende Grundlage für eine tatrichterliche Schätzung des Verbrauchs bietet.

Der Entscheidung lag der Sachverhalt zu Grunde, dass die Schlussrechnungen des Versorgungsunternehmens auf einem geschätzten Endstand des Zählers beruhte, die Voraussetzungen für eine Schätzung nach § 11 Abs. 3 StromGVV/GasGVV jedoch unstreitig nicht vorlagen. Nachdem der Kunde die Schlussrechnung unter Vorbehalt bezahlt hatte, forderte er anschließend im Klagewege die Rückzahlung der Rechnungsbeträge.

Das Ausgangsgericht gab der Rückzahlungsklage statt. Das Berufungsgericht wies die hiergegen eingelegte Berufung mit der Begründung zurück, die Forderungen aus den Schlussrechnung seien nicht fällig, weil das Versorgungsunternehmen die Rechnungen nicht ordnungsgemäß gemäß § 12 GVV erstellt habe. Auf § 17 Abs. 1 GVV könne sich der Versorger nicht berufen, weil die Voraussetzungen für eine Schätzung unstreitig und für alle Beteiligten offensichtlich nicht gegeben gewesen seien, weshalb ein offensichtlicher Fehler der Abrechnung vorliege. Eine Schätzung durch das Gericht nach § 287 ZPO scheide aus, weil dies der Intention zuwiderlaufe, dass der Verbrauch nur unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. GVV geschätzt werden dürfe. Eine unzulässige Verbrauchsschätzung habe in Anwendung des Gedankens der mietrechtlichen Ausschlussvorschrift des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB vielmehr zur Folge, dass der Versorger gegenüber dem Kunden überhaupt nicht mehr abrechnen könne.

Dem ist der Bundesgerichtshof in der Revisionsinstanz entgegengetreten. Zwar dürfe der Lieferant (bzw. die Vertriebssparte) nach § 11 Abs. 1 GVV der eigenen Abrechnung nicht einen vom Netzbetreiber (bzw. der Netzsparte) übermittelten Schätzwert zu Grunde legen, weil die Vorschrift, deren Intention die Vermeidung unnötiger Doppelablesungen sei, nur die Verwendung tatsächlicher Ablesedaten des Netzbetreibers gestatte. Auch sei nach den Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass die Voraussetzungen von § 11 Abs. 3 GVV nicht vorlagen. Jedoch enthielten die Grundversorgungsverordnungen keine dem § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB vergleichbare Sanktionsbestimmung, die es dem Versorgungsunternehmen von vornherein verwehren würde, eine auf einer unzulässigen Schätzung beruhende Forderung gerichtlich geltend zu machen. Vielmehr müsse der Versorger einen bestrittenen Verbrauch zur Überzeugen des Gerichts beweisen. Hierbei komme auch eine gerichtliche Schätzung nach § 287 ZPO in Betracht. Zwar treffe es zu, dass der Verbrauch vom Versorger nur unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 GVV geschätzt werden dürfe. Dies hindere im Rahmen der Überprüfung, ob und inwieweit die (unzulässige) vorprozessuale Schätzung zutreffe, jedoch nicht, dem Versorger bei dem ihm obliegenden Nachweis des tatsächlichen Verbrauchs die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 2 ZPO zu Gute kommen zu lassen.

Erfreulicherweise hat sich der VIII. Zivilsenat auch noch einmal zu den Voraussetzungen der Zahlungsverweigerung nach § 17 Abs. 2 GVV geäußert und festgestellt,  dass zum einen die bloße Unzulässigkeit der Verbrauchsschätzung nicht schon die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers begründet und zum anderen selbst eine offensichtliche Zuvielforderung nicht die vollständige Zahlungsverweigerung rechtfertigt, sondern nur derjenige (Teil-)Betrag, der offensichtlich fehlerhaft in Rechnung gestellt worden ist, vom Kundenzurückbehalten werden darf.

Den Ausführungen des Bundesgerichtshofs ist beizupflichten. Ein Forderungsausschluss, wie ihn das Berufungsgericht angenommen hat, kann nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschaffen werden. Gleichwohl empfiehlt es sich natürlich, Verbrauchs­schätzungen nur bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 11 Abs. 3 der GVV vorzunehmen und sich insoweit auch nicht einfach auf vom Netzbetreiber übermittelte Schätzwerte zu verlassen. Denn § 287 ZPO dient, worauf der Bundesgerichtshof zu Recht hinweist, nur der Beweiserleichterung und birgt das Risiko, dass mir ihr unter Umständen nur der Mindestumfang des Anspruchs ermittelt werden kann.

BGH Urteil im Volltext jetzt veröffentlicht:

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&Seite=0&nr=65995&pos=29&anz=584&Blank=1.pdf