(Zu) Hohe Hürden für die Kündigung eines wettbewerblichen Messtellenbetreibers (wMSB)

27. September 2024 um 15:55 von

Am 19.09.2024 hat sich wohl erstmals ein Oberlandesgericht mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen der von der Bundesnetzagentur (BNetzA) vorgegebene Messstellenbetreiber-Rahmenvertag (MSB-RV) seitens der Netzbetreiberin aus wichtigem Grund gekündigt werden kann.

Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens hat der 5. Kartellsenat des OLG Düsseldorf (VI-5 W 3/24 [Kart]) einer Netzbetreiberin untersagt, die Zähler eines wMSB auszubauen und die Kunden über die Übernahme des Messstellenbetriebs durch den grundzuständigen Messstellenbetreiber zu informieren. Die Netzbetreiberin hatte den MSB-RV außerordentlich gekündigt, weil der Messstellenbetreiber über mehrere Jahre immer wieder die von der BNetzA festgelegten Wechselprozesse im Messwesen (WiM) nicht eingehalten hatte.

Beanstandet wurden über lange Zeiträume u.a. die fehlende oder nicht fristgerechte Übermittlungen der Messwerte von RLM-Zählern und intelligenten Messsystemen, deren (Lastgang-)Daten täglich an die Netzbetreiberin übermittelt und spätestens am 9. Tag des Folgemonats vollständig vorliegen müssen, um die Lieferanten- und Netznutzungsabrechnung zu ermöglichen.

In erster Instanz hatte das Landgericht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung noch mit der Begründung zurückgewiesen, dass der wMSB den hohen gesetzlichen Anforderungen an einen zuverlässigen Messstellenbetrieb nicht gerecht geworden war, weil er teilweise über Monate hinweg gerügte Mängel einer nicht unerheblichen Zahl von Messeinrichtungen oder fehlerhafte bzw. unvollständige Messdaten nicht nachgebessert oder Störungen beseitigt hatte.

Das OLG Düsseldorf hingegen erließ die begehrte Unterlassungsverfügung, weil einzelne bemängelte Pflichtverletzungen im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr vorlagen, es bei einzelnen Pflichtverletzungen an dem erfolglosen Ablauf einer zur Abhilfe gesetzten Frist bzw. einer Abmahnung mangelte und die jeweilig verbliebenen Pflichtverletzungen nicht als schwerwiegend im Sinne der vertraglichen Kündigungsvoraussetzungen zu bewerten seien.

Nach Ansicht des Gerichts seien in der Gesamtbetrachtung der Pflichtverletzungen keine geringen Anforderungen an „schwerwiegende Vertragsverstöße“ gegen „wesentliche Vertragsregelungen“ zu stellen, da ansonsten der vom Gesetzgeber gewünschte Wettbewerb unterlaufen werde.

Vor dem Hintergrund solch hoher Hürden bedarf es seitens der Netzbetreiber bereits im Vorfeld einer äußerst sorgfältigen Vorbereitung einer Kündigung aus wichtigem Grund, wenn wettbewerbliche Messtellenbetreiber die vorgegebenen Marktkommunikationsprozesse dauerhaft missachten. Im Zweifel muss versucht werden, solche Zuwiderhandlungen auch in Wege von Aufsichtsmaßnahmen der Bundesnetzagentur nach § 76 MsbG fest- und abstellen zu lassen.

Umsetzung der Festlegungen der BNetzA zu § 14a EnWG

23. Januar 2024 um 09:00 von

Die Bundesnetzagentur hat mit den Festlegungen zur Durchführung der netzorientierten Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen in Niederspannung nach § 14a EnWG (Beschlüsse BK6-22-300 und BK8-22/010-A) bundeseinheitliche Regelungen getroffen, nach denen Betreiber von Elektrizitätsverteilernetzen verpflichtet sind, zur Gewährleistung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems Vereinbarungen mit Lieferanten, Letztverbrauchern oder Anschlussnehmern über die netzorientierte Steuerung von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen oder von Netzanschlüssen mit steuerbaren Verbrauchseinrichtungen abzuschließen. Die Festlegungen sind am 01.01.2024 in Kraft getreten und sind nun von den Adressaten umzusetzen. Es besteht grundsätzlich eine Kontrahierungspflicht. Für die Umsetzung kommen zwei Möglichkeiten in Betracht:

Die Festlegungen lassen den Abschluss einer konkludenten Vereinbarung zwischen Netzbetreiber und dem Betreiber der steuerbaren Verbrauchseinrichtung ausdrücklich zu. Diese Art der Vereinbarung könnte im Wege einer Antragstellung durch den Betreiber der steuerbaren Verbrauchseinrichtung, der im Antrag dem Netzbetreiber die erforderlichen Daten übermittelt, und der entsprechenden Bestätigung durch den Netzbetreiber erfolgen. Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien ergeben sich in dem Fall unmittelbar aus den o.g. Festlegungen, worauf ausdrücklich (z.B. in Anträgen  auf Inbetriebnahme) hingewiesen werden sollte. Zu den erforderlichen Daten zählen u.a. die Marktlokation, die Art der Verbrauchsanlage, das Inbetriebnahmedatum, der Hersteller des Gerätes, ggf. die Serialnummer des Gerätes, die Zählernummer, die Typenbezeichnung des Gerätes, die Netzbezugsleistung in kW des Gerätes, die Steuerungsart (Direktansteuerung oder Energie-Management-System) sowie die Form der Netzentgeltreduzierung (Modul 1, ergänzend Modul 3 oder alternativ Modul 2).

Daneben kann eine ausdrückliche Vereinbarung nach § 14a EnWG geschlossen werden. In diesem Fall werden die wesentlichen Regelungen gemäß der Festlegungen in die Vereinbarung aufgenommen. Vereinzelt kann auf eine weitergehende Regelung in den Festlegungen verwiesen werden. Die erforderlichen Daten zu den steuerbaren Verbrauchseinrichtungen könnten vom Betreiber über eine Online-Maske mitgeteilt werden und die Vereinbarung mit diesen Daten geschlossen werden. Eine ausdrückliche Vereinbarung hat den Vorteil, dass die Vertragsparteien auf einen Blick alle Rechte und Pflichten erkennen können. Außerdem können ergänzende Regelungen getroffen werden (z.B. zur Laufzeit, zur Anpassung bei Änderungen, Gerichtsstand u.s.w.).

Das Inkrafttreten der Festlegungen, die Kontrahierungspflicht und die beiden Möglichkeiten der Umsetzung der Festlegungen könnten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Netzbetreibers ergänzt werden.

Vermiedene Netzentgelte Gas: „längstens“ oder „mindestens“

8. November 2022 um 09:26 von

Während sich der Bundesgerichtshof schon mehrfach mit den Netzentgelten für die dezentrale Stromeinspeisung nach § 18 StromNEV befassen musste, hat die nur auf den ersten Blick korrespondierende Regelung in § 20a GasNEV bislang vor allem die kautelarjuristisch tätigen Energierechtler bei der Erstellung der Einspeiseverträge beschäftigt. In den Gerichtssälen war § 20a GasNEV bislang kaum ein Thema. Das überrascht nicht, denn die Regelung ist denkbar klar gefasst: Wer Biogas einspeist, erhält ein Entgelt i.H.v. 0,7 ct/kWh als pauschalen Ausgleich für vermiedene Netzkosten; so die recht eindeutige gesetzliche Regelung, wie sie seit 2008 in Kraft ist.

Allerdings scheint die Phase der einvernehmlichen Abwicklung des Entgeltanspruchs zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber ans Ende gekommen zu sein. Der Verordnungsgeber hat (bereits) im Rahmen einer Gesetzesnovelle des Jahres 2010 den Anspruch durch Ergänzung der Worte „für zehn Jahre ab Inbetriebnahme des jeweiligen Netzanschlusses für die Einspeisung von Biogas“ befristet. Die Frist ist in einigen Fällen inzwischen abgelaufen, weswegen die Netzbetreiber mit Rückendeckung der Bundesnetzagentur die Zahlung des pauschalen Entgeltes eingestellt haben.

Dass dies bei den betroffenen Anlagenbetreibern nicht auf Gegenliebe stößt, ist nachvollziehbar. Die Anlagenbetreiber konnten inzwischen beim Landgericht Augsburg einen ersten Erfolg verbuchen. Allerdings hat das Landgericht seine Entscheidung mit den Spezifika des dortigen Vertrages begründet und nicht auf § 20a GasNEV rekurriert. Ob die Versuche überzeugen, im Wege der Gesetzesauslegung das Wort „mindestens“ in den Gesetzestext hineinzulesen (im Sinne von „für mindestens zehn Jahre“), ist dann doch eine andere Frage.

Wie es weitergeht und ob sich der Bundesgerichtshof in Kürze auch erstmals mit den Anspruchsvoraussetzungen nach § 20a GasNEV befassen muss, wird sich zeigen.

BGH zur einseitigen Fortsetzung eines Lieferverhältnisses – Update zu „Kein Gratis-Strom im Schweinestall…“

19. Juli 2022 um 13:35 von

Mit Beitrag vom 10. Februar 2021 (Verlinkung) haben wir über ein Urteil des OLG Düsseldorf (I-27 U 19/19) zur Rechtsfigur der sog. geduldeten Notstromentnahme berichtet. Das OLG Düsseldorf hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Letztverbraucher, der ohne ein Lieferverhältnis zu einem bestimmten Lieferanten Strom bezogen hat, zwar in Niederspannung angeschlossen, aber nicht grundversorgungsberechtigt war. Bekanntlich hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass der Letztverbraucher dem Netzbetreiber (jedenfalls) auf der Grundlage der Geschäftsführung ohne Auftrag einen Ersatz für die entnommenen Strommengen schulde.

Diese Entscheidung wurde nunmehr mit Urteil vom 10. Mai 2022 (EnZR 54/21) durch den BGH gekippt. Nach Auffassung des BGH seien Strommengen, die ein Letztverbraucher ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage aus dem Niederspannungsnetz beziehe, bilanziell, wirtschaftlich und zivilrechtlich nicht dem Verteilernetzbetreiber, sondern dem Grund- und Ersatzversorger zuzuordnen. Die Zuordnung zum Grund- und Ersatzversorger habe unabhängig davon zu erfolgen, ob es sich bei dem betroffenen Letztverbraucher um einen grundversorgungsfähigen Haushaltskunden handele oder nicht.

Der BGH hat unter Bezugnahme auf seine frühere Entscheidung vom 27.10.2020 (EnVR 104/19) erklärt, dass einer Zuordnung lieferantenloser Lieferstellen zum Bilanzkreis des Verteilnetzbetreibers die Entflechtungsvorgaben der §§ 6 ff. EnWG entgegenstünden. Da eine bilanzielle Zuordnung zum Verteilnetzbetreiber unzulässig sei, könnten die Strommengen, die der Letztverbraucher unberechtigterweise aus dem Netz entnehme, auch nicht dem Vermögen des Verteilnetzbetreibers zugeordnet werden. Deshalb könne dieser keine Zahlungsansprüche – über eine Geschäftsführung ohne Auftrag oder das Bereicherungsrecht – gegen den Letztverbraucher geltend machen.

Nach Auffassung des BGH seien die Strommengen, die der lieferantenlose Letztverbraucher dem Niederspannungsnetz entnehme, stets dem Grund- und Ersatzversorger bilanziell zuzuordnen. Dies gelte wegen der Auffangfunktion des Grund- und Ersatzversorgers insbesondere auch dann, wenn der Letztverbraucher nicht als Haushaltskunde qualifiziert werden könne. Es komme also in jedem Fall zu einer wirtschaftlichen und vermögensrechtlichen Zuordnung zum Grund- und Ersatzversorger; und das selbst nach Auslaufen Ersatzversorgung. Der Letztverbraucher setze das Lieferverhältnis nach Ablauf der dreimonatigen Ersatzversorgung einseitig fort, so der BGH. Der ihm somit gewissermaßen aufgedrängten Belieferung des Letztverbrauchers könne der Grund- und Ersatzversorger entgegenwirken, indem er eine Zählersperre durchsetze oder zivilrechtliche Unterlassungs- und Ausgleichsansprüche geltend mache.

Damit lehnt der BGH die kontrovers diskutierte Rechtsfigur der geduldeten Notstromentnahme sowohl für grundversorgungsfähige (Beschluss vom 27.10.2020, EnVR 104/19) als auch für nicht grundversorgungsfähige Letztverbraucher (Urteil vom 10.05.2022, EnZR 54/21) kategorisch ab. Die Verantwortlichkeit für die Belieferung der Letztverbraucher liegt aus Sicht des BGH ausnahmslos bei dem jeweils zuständigen Grund- und Ersatzversorger.

Zugang zu Ladepunkten?

16. Juli 2021 um 12:02 von

Mit Festlegung vom 21.12.2020 (BK6-20-160) hat die Bundesnetzagentur die Netzbetreiber verpflichtet, den Betreibern von Ladepunkten Netzzugang zur Ermöglichung einer ladevorgangscharfen bilanziellen Energiemengenzuordnung zu ermöglichen. Der Ökostrom-Anbieter LichtBlick geht noch einen Schritt weiter und begehrt den Zugang zur Ladeinfrastruktur selbst.

LichtBlick hat nach eigenen Angaben beim Datendienstleister Statista die Auswertung des Ladesäulenregisters der Bundesnetzagentur in Bezug auf „Monopolstrukturen“ beauftragt. Mit dem Ergebnis dieser Auswertung – nämlich dass sich jeweils wenige „Platzhirsche“ den regionalen Ladesäulenmarkt teilen – propagiert LichtBlick nun, dass auch der Zugang zur Ladeinfrastruktur gewährt werden müsse.

Allerdings ist eine rechtliche Grundlage für eine etwaige Verpflichtung der Ladeinfrastrukturbetreiber nicht ersichtlich. Das Regulierungsrecht des EnWG endet an der Schnittstelle zwischen Netz und Ladeinfrastruktur. Mehr als fraglich ist auch ein kartellrechtlicher Anspruch. Denn neben der unklaren Bestimmung des räumlichen Marktes ist insbesondere der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nicht offenkundig. Allein die Tatsache, dass jemand alleiniger Betreiber technischer Einrichtungen ist, macht ihn noch nicht zum zugangsverpflichteten Monopolisten. Durchgreifende Gründe, warum anderen Unternehmen der Zugang zum Markt – etwa mittels Errichtung eigener Ladeinfrastruktur – unzumutbar sein sollte, sind nicht ohne weiteres erkennbar.