BGH-Entscheidung zum „Fernwärmenetz Stuttgart“

8. Februar 2024 um 10:48 von

Der BGH stellt in seiner Entscheidung vom 05.12.2023 – KZR 101/20 klar, dass der bisherige Fernwärmenetzbetreiber nur dann einen Anspruch auf die (erneute) Einräumung von Nutzungsrechten haben kann, wenn die technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten einen parallelen Netzausbau zulassen (Leitsatz a)). Jeder potentiell interessierte Netzbetreiber hat dann einen Anspruch auf die Erteilung eines Wegenutzungsrechts zum Betrieb eines Fernwärmenetzes. Bei bestehenden Netzinfrastrukturen deute die ökonomische Erfahrung aber darauf hin, dass einem Wettbewerb durch parallele Infrastrukturen hohe Marktzutrittsschranken entgegenstehen. Ein bestehendes Fernwärmenetz  begründe (regelmäßig) ein natürliches Monopol. Ein Anspruch auf Wiedereinräumung von Wegenutzungsrechten dürfte daher nach der BGH-Entscheidung nur in Ausnahmefällen bestehen.

Der BGH hat darüber hinaus klargestellt, dass es einer Gemeinde aus kartellrechtlichen Gründen grundsätzlich nicht verwehrt ist, in Anlehnung an die Regelung des § 46 EnWG im eigenen Interesse und im Interesse der Allgemeinheit Wegenutzungsrechte zeitlich begrenzt zu vergeben und einen Wettbewerb um das Netz mit dem Zweck zu organisieren, die wettbewerblichen Nachteile, die mit einem Leitungsmonopol verbunden sind, zumindest teilweise zu kompensieren. Der Umstand, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Energiewirtschaftsgesetzes ausdrücklich nicht auf den Bereich der Fernwärme erstreckt wissen wollte, schließe eine solche privatautonome Entscheidung der Klägerin zur Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens nicht aus, auch nicht, dass die Beklagte für den danach möglichen Rechtsverlust zu entschädigen ist.

Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH in der Entscheidung aber, ob eine Gemeinde nicht nur berechtigt, sondern kartellrechtlich verpflichtet ist, ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchzuführen. Dies konnte der BGH deshalb offen lassen, weil die Gemeinde in dem zu entscheidenden Sachverhalt ein solches Auswahlverfahren begonnen – und nur ausgesetzt – hatte. In einem solchen Fall, in dem die Gemeinde ein bereits begonnenes Auswahlverfahren für den Weiterbetrieb des Netzes nur ausgesetzt, aber nicht beendet hat und der bisherige Netzbetreiber an diesem Verfahren beteiligt ist, kann die Gemeinde von diesem weder Verschaffung des Eigentums an den in ihren Grundstücken verlegten Leitungen noch Beseitigung der dadurch verursachten Beeinträchtigung ihres Eigentums verlangen (Leitsatz b)).

Die für die weitere Entwicklung im Bereich der Fernwärmeversorgung äußerst bedeutende Frage, ob eine Kommune – ähnlich wie bei Strom und Gas (hier in §§ 46 ff. EnWG ausdrücklich normiert) – auch im Bereich der Fernwärme das Wegenutzungsrecht in einem wettbewerblichen Auswahlverfahren zu vergeben hat oder ob im Bereich Fernwärme auch eine Direktvergabe – etwa an das kommunaleigene Versorgungsunternehmen – zulässig ist, bleibt daher auch nach der Entscheidung des BGH unbeantwortet.

 

Kein Anspruch der Stadt Stuttgart auf Übereignung des Fernwärmenetzes

1. April 2019 um 20:03 von

fernwärmeDas Landgericht Stuttgart hat jüngst mit Urteil vom 14.02.2019 (AZ: 11 U 25/16) eine Klage der Stadt Stuttgart gegen EnBW auf Übergabe und Übereignung des Fernwärmeversorgungsnetzes in Stuttgart abgewiesen.

Der auslaufende Gestattungsvertrag enthielt keine Endschaftsbestimmung, so dass die Stadt einige argumentative Klimmzüge vollziehen musste, um eine Anspruchsgrundlage zu finden (u.a. ergänzende Vertragsauslegung, §§ 552, 997 BGB, § 1004 BGB, Heranziehung der Grundsätze aus dem EnWG). All diese Anspruchsgrundlagen waren nach Auffassung des LG Stuttgart nicht einschlägig. Das Gericht hat damit im Ergebnis dieselbe Rechtauffassung vertreten wie zuvor schon das VG Berlin (veröffentlicht in VersW 2018, 213 mit Anm. d. Verf.).

Auf die Widerklage der EnBW wurde festgestellt, dass das Unternehmen gegen die Stadt einen Anspruch auf Neuabschluss eines Anschluss-Gestattungsvertrages hat. Dieser Gegenanspruch der EnBW wurde vom Gericht auf einen kartellrechtlichen Kontrahierungszwang gestützt, dem die Stadt als marktbeherrschende Wegerechtsmonopolistin unterworfen sei.