Kein Vertrag mit dem Grundstückseigentümer bei Realofferte an den Mieter

19. Juni 2015 um 15:23 von

Mit aktuellem Urteil vom 20.05.2015 (Az.: 2 S 253/14) hat das Landgericht Mönchengladbach als Berufungsinstanz ebenso prägnant wie kurz mit der derzeit immer häufiger auftretenden Fehlvorstellung aufgeräumt, dass bei Realofferten eines Energieversorgers grundsätzlich immer der Grundstückseigentümer der Vertragspartner wird. 

In dem dortigen Fall mietete die spätere Beklagte ein Haus, dessen Wärmeversorgung über eine Stromheizung erfolgte. Die (Haupt-)Steuerung für die Heizung befand sich in dem einige Meter entfernten Nebenhaus, in dem der Vermieter wohnte. Das Stromversorgungsunternehmen kannte die Mieterstellung der Beklagten und trat folgerichtig an die Beklagte heran, um einen Wärmestromlieferungsvertrag zu schließen. Das schriftliche Angebot des klagenden EVU lehnte die Beklagte mit den Argumenten ab, zum einen sei der Vermieter für die Wärmeversorgung des Mietshauses mietvertraglich verantwortlich und zum anderen habe sie keinen Zugriff auf die im Nebenhaus befindliche Heizungssteuerung. In der ersten Instanz hatte sich die Beklagte erfolgreich verteidigt, indem sie auf die einschlägige Rechtsprechung des BGH verwies, nach der sich die Realofferte eines EVU im Zweifel an den Grundstückseigentümer richte.

Das Landgericht Mönchengladbach ist dem entgegengetreten und  führt in den Urteilsgründen zutreffend aus, dass diese Rechtsprechung des BGH – insbesondere zuletzt die Urteile vom 02.07.2014 (Az.: VIII ZR 316/13) und  vom 22.07.2014 (Az.: VIII ZR 313/13) – nur dann greifen könne, wenn auch ein tatsächlicher Zweifelsfall gegeben ist. In dem von der Kammer zu entscheidenden Sachverhalt lag ein solcher Zweifelsfall aber nicht vor. Zwar hatte die Beklagte ausdrücklich erklärt, das schriftliche Angebot der Klägerin nicht annehmen zu wollen, gleichwohl hat sie die Wärmesstromlieferungen in Anspruch genommen und damit die Realofferte der Klägerin angenommen. Ferner war die Erklärung der Beklagten, nicht mit der Klägerin kontrahieren zu wollen, widersprüchlich und unbeachtlich.

Unter Verweis auf die zutreffende Rechtsprechung der BGH fasste das Landgericht Mönchengladbach wie folgt zusammen:

„Derjenige, der – wie die Beklagte in der Folge – aus einem Verteilnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser [Wärme] oder Wasser entnimmt, nimmt das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an (BGH-Urteil vom 25.11.2009, Az.: VIII ZR 235/08, dort Rdzif. 13 [Zitierung nach Juris] m.w.N). Dies gilt erst recht, wenn – wie hier – ein schriftliches Angebot persönlich an den Nutzer der Versorgungsleistungen gerichtet wird (BGH a.a.O.).“

Inwieweit eine mietvertragliche Regelung eine andere Entscheidung hätte rechtfertigen können, musste das Landgericht Mönchengladbach nicht entscheiden, weil in dem dortigen Mietvertrag die eigenverantwortliche Wärmeversorgung des Mieters festgeschrieben war.

Bundeskartellamt stellt Ermittlungen gegen Verivox ein

9. Juni 2015 um 18:24 von

BKartAWie das Bundeskartellamt am 3. Juni des Jahres mitteilte, hat es die Ermittlungen gegen das Energievergleichsportal Verivox eingestellt. Untersucht wurden die vom Unternehmen angebotenen Datenprodukte und Tarifoptimierungsdienstleistungen. Wie der Präsident des BKartA, Mundt, mitteilte, haben Vergleichsportale für Strom- oder Gaslieferungen grundsätzlich einen positiven Wettbewerbseffekt, da sie Wechselmöglichkeiten für den Verbraucher erleichtern. Allerdings könne dieser positive Effekt durch sog. Bestpreisklauseln wieder eingeschränkt werden, wenn sie die Preissetzungsfreiheit der Anbieter einschränken und den Wettbewerb zwischen verschiedenen Plattformen behindern, so Mundt. Verivox hat laut Aussagen des Bundeskartellamtes sämtliche Bestpreisklauseln, die zwischen Verivox und Energieversorgern vereinbart worden waren, aus den Verträgen entfernt.

Das Amt setzt damit seine Linie, gegen Bestpreisklauseln einzuschreiten, die es mit seinen Verfahren gegen Hotelbuchungsplattformen wie HRS begonnen hat, fort.  Das Amt hatte mit Beschluss vom 20.12.2013 die Bestpreisklauseln von HRS untersagt und ebenfalls Verfahren gegen die Buchungsportale booking.com und Expedia eingeleitet. Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 9. Januar 2015 die Auffassung des BKartA bestätigt und die Beschwerde von HRS gegen die Entscheidung des Amtes zurückgewiesen. Laut Aussage des BKartA war es wohl auch diese Lage, die Verivox zur Aufgabe seiner Bestpreisklauseln bewegt habe.

Insolvenzrecht – Entgegenkommen bei Ratenzahlungsvereinbarungen

24. April 2015 um 15:33 von

bgh_front2Der für Fragen des Insolvenzrechts zuständige 9. Zivilsenat am BGH hat durch Beschluss vom 16.04.2015 (IX ZR 6/14) seine Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO bestätigt, wonach die Bitte eines Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sei, solange sich die Bitte im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs halte.

Der Beschluss ist vordergründig gläubigerfreundlich. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber erneut, wie problematisch für einen Gläubiger in einer wirtschaftlich schwierigen Situation seines Vertragspartners der Umgang mit dem Risiko einer möglichen späteren Insolvenzanfechtung ist. So führt der BGH in den Entscheidungsgründen im o.g. Beschluss aus, eine Bitte um Ratenzahlung sei insolvenzrechtlich anders zu beurteilen, wenn sie vom Schuldner mit der Erklärung verbunden wird, seine fälligen Verbindlichkeiten nicht anders begleichen zu können. Das ist dann laut BGH ein (im Regelfall wohl gewichtiges) Indiz für eine Zahlungseinstellung, die ihrerseits nach § 17 Abs. 2 InsO in der Regel dazu führt, dass Zahlungsunfähigkeit anzunehmen ist. Auch das Eingreifen einer Verfallklausel – wenn eine Rate der Ratenzahlungsvereinbarung nicht pünktlich gezahlt wird, wird der gesamte noch offene Betrag auf einmal fällig – kann im Einzelfall Indiz für eine Zahlungseinstellung sein. Entscheidend sind hier die Umstände des Einzelfalls.

Der Fall zeigt einmal mehr, dass im Umgang mit Schuldnern in wirtschaftlichen Schwierigkeiten aus insolvenzrechtlicher Sicht höchste Vorsicht geboten ist. Allzu großes Entgegenkommen bei Ratenzahlungsvereinbarungen kann leicht dazu führen, dass im Fall der späteren Insolvenz des Vertragspartners die empfangenen Zahlungen an den Insolvenzverwalter zu erstatten sind.

Wie würden Sie entscheiden? – Anschlusssperre bei gemischt genutzten Netzanschlüssen

24. November 2014 um 07:00 von

justitia-421805_640Liebe Mandanten und Freund der Kanzlei,

mit unserem Blog möchten wir Sie nicht nur über aktuelle Themen rund um das Energierecht informieren, sondern Sie auch zum Diskutieren und zum aktiven Meinungsaustausch animieren. Aus diesem Grund werden wir in unregelmäßigen Abständen – meist umstrittene – Problemstellungen aufgreifen und in diesem Forum zur Diskussion stellen.

In unserem ersten Beitrag dieser Art sprechen wir das rechtlich bislang weitgehend ungeklärte Thema der Sperrung von gemischt genutzten Netzanschlüssen an.

Die Ausgangssituation ist recht einfach und schnell beschrieben. Ein Netzanschluss wird nicht allein durch eine einzige Person für die Entnahme von Strom genutzt, sondern durch mehrere Anschlussnutzer und/oder für die gleichzeitige Einspeisung von EEG-Strom. Gerät nun der eine oder einer der Anschlussnutzer in Zahlungsverzug und begehrt der Lieferant/Netzbetreiber die Unterbrechung der Anschlussnutzung, stellt sich die Frage, ob die Anschlussnutzung für alle angeschlossenen Kunden und auch für die Einspeisung unterbrochen werden darf.

Die sachverhaltlichen Varianten, in denen diese Problematik virulent wird, sind aufgrund der verschiedensten Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen der letzten zehn Jahre allerdings vielfältig. Gleichwohl existiert weitgehend noch keine, in Teilbereichen allenfalls eine nicht gefestigte Rechtsprechung.

Beispielhafte Problemfälle:

  1. Ein Netznutzer speist über einen Netzanschluss, den er auch zum Strombezug verwendet, Strom aus seiner EEG-Anlage ein. Gegenüber seinem Lieferanten/Netzbetreiber gerät der Kunde in Zahlungsverzug, so dass sein Vertragspartner die Sperrung des Anschlusses begehrt. Gegen dieses Vorhaben wendet der Anschlussnutzer ein, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 EEG ausdrücklich die unverzügliche und vorrangige Abnahme des EEG-Stroms anordne. Diesem Argument hält der Lieferant/Netzbetreiber entgegen, dass ihm ein Zurückbehaltungsrecht bis zum Wegfall des Verzugs zustehe.
  2. Über den Netzanschluss wird zwar kein EEG-Strom eingespeist, der Anschluss wird aber durch mehrere Personen genutzt. Einer der Anschlussnutzer gerät wiederum in Zahlungsverzug, weswegen sich der Lieferant/Netzbetreiber erneut auf sein Zurückbehaltungsrecht beruft und den Anschluss sperren (lassen) will. Die nicht säumigen Kunden halten diesem Vorhaben entgegen, dass schließlich nicht sie, sondern ein anderer Kunde zahlungssäumig sei. Eine Unterbrechung ihrer Versorgung sei daher wegen Unverhältnismäßigkeit nicht zulässig. Der Lieferant/Netzbetreiber steht auf dem Standpunkt „mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen“.
  3. Die Beispielsfälle 1 und 2 lassen sich vielfältig variieren. Insbesondere ergeben sich Verschiebungen der Interessenlagen je nach dem, ob der Lieferant oder der Netzbetreiber das Zurückbehaltungsrecht geltend macht. Darüber hinaus lassen sich die Fälle 1 und 2 auch kombinieren, wenn beispielsweise die EEG-Einspeisung im Wege der – ausdrücklich in § 11 Abs. 2 EEG vorgesehenen – kaufmännisch-bilanziellen Weiterleitung erfolgt.

Ein vom Gesetz-/Verordnungsgeber eindeutig vorgegebener oder durch die Rechtsprechung konkretisierter Umgang existiert bislang nicht, so dass eine erhebliche Rechtsunsicherheit in einem nicht unwesentlichen Themenkomplex besteht.

Was ist Ihre Meinung? Wie sind Ihre Erfahrungen? Wie lösen Sie die Probleme in Ihren Unternehmen? Haben Sie Kritik an der bestehenden Rechtsprechung? Haben Sie Anliegen an den Gesetz-/Verordnungsgeber?

Diskutieren Sie mit uns und anderen Blog-Lesern!

Quo vadis? – EuGH erklärt Preisanpassungen nach GVV für europarechtswidrig

23. Oktober 2014 um 14:24 von

road-block-453151_640Heute hat der Gerichtshof der Europäischen Union sein Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-359/11 (Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.05.2011, VIII ZR 71/10) und C-400/11 (Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 29.06.2011, VIII ZR 211/10) verkündet. Gegenstand beider Rechtssachen waren Fragen zum deutschen Preisänderungsrecht gegenüber Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht mit Gas oder Strom beliefert werden und deren Belieferung sich deshalb nach der AVBGasV, der AVBEltV bzw. deren Nachfolgeregelung StromGVV richtete. Demgemäß war das Recht der Versorger (§ 4 Abs. 1 AVBGasV, § 5 Abs. 2 StromGVV) vorgesehen, die Strom- oder Gaspreise einseitig zu ändern, ohne den Anlass, die Voraussetzungen oder den Umfang der Änderungen anzugeben. Es war aber sichergestellt, dass die Kunden über die Preiserhöhung benachrichtigt wurden und den Vertrag gegebenenfalls kündigen konnten. Der Bundesgerichtshof hatte mit den genannten Vorlagebeschlüssen dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage, inwieweit eine solche Regelung den sich aus der sog. Stromrichtlinie 2003/54/EG und der sog. Gasrichtlinie 2003/55/EG ergebenden Transparenzanforderungen genüge, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union ist ein Verstoß gegen die „Stromrichtlinie“ 2003/54/EG und gegen die „Gasrichtlinie“ 2003/55/EG gegeben.

Zur Gewährleistung des sich aufgrund der Richtlinien ergebenden hohen Verbraucherschutzes müsse den Kunden nicht nur das Recht eingeräumt werden, sich im Fall von Preisänderungen aus dem Liefervertrag zu lösen, sondern auch die Befugnis, gegen die Preisänderung vorzugehen. Die Möglichkeit der Wahrnehmung dieser Rechte und einer Entscheidung über die Lösung vom Vertrag oder eines Vorgehens gegen die Preiserhöhung in voller Sachkenntnis setzt nach Meinung des Gerichtshofs der Europäischen Union voraus, dass der unter die allgemeine Versorgungspflicht fallende Kunde rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert wird. Da dies in den genannten Verordnungen nicht vorgesehen sei, verstoßen sie gegen die zitierten Richtlinien der Europäischen Union.

Eine zeitliche Begrenzung der Wirkungen des Urteils lehnt der Gerichtshof der Europäischen Union ab, da insbesondere nicht dargelegt worden sei, dass die Infragestellung der Rechtsverhältnisse, deren Wirkung sich in der Vergangenheit erschöpft habe, rückwirkend die gesamte Branche der Strom- und Gasversorgung in Deutschland erschüttern würde. Die Auslegung der genannten Richtlinien gilt somit für alle in ihrem zeitlichen Anwendungsbereich erfolgten Änderungen.

Man darf gespannt sein, welche konkreten Auswirkungen das Urteil auf die nationale Rechtsanwendung entfalten wird.