Strenge Anforderungen des BGH an Preisanpassungsklausen im Bereich der Fernwärme

18. März 2020 um 11:57 von

24 Abs. 4 AVBFernwärmeV sieht vor, dass Preisanpassungsklauseln im Bereich der Fernwärme sowohl die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme als auch die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen müssen (sog. Kosten- bzw. Marktelement). Was das genau bedeutet, hat der BGH in einem jetzt bekannt geworfenen Urteil vom 18.12.2019 (VIII ZR 209/18) weiter konkretisiert. Dabei hat er die im konkreten Fall streitgegenständliche Preisanpassungsklausel für unwirksam erklärt, weil sie dem Gebot der Kostenorientierung gemäß § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV nicht entspreche.

Zum Verhängnis wurde dem Wärmversorgungsunternehmen dabei, dass der für die Brennstoffkosten relevante Gaspreis nur zu 75 % durch den HEL-Faktor bestimmt wurde, die Preisanpassungsregelung im Wärmeliefervertrag für den vertraglich vereinbarten Arbeitspreis jedoch zu 100 % von der Entwicklung der HEL-Notierungen abhängig war. Darüber hinaus beanstandete der BGH, dass Änderungen in den HEL-Notierungen auf die Brennstoffkosten einerseits und den Fernwärmepreis andererseits gemäß den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen in unterschiedlich starker Weise durchschlagen. Dies führe dazu, so der BGH, dass entgegen dem Gedanken des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV das Wärmeversorgungsunternehmen unter Umständen höhere Beträge als nur die Kostensteigerung an den Endkunden weitergebe und auf diese Weise zusätzliche Gewinne realisieren könne.

Dem Wärmeversorgungsunternehmen hat es auch nicht geholfen, dass sich die vom BGH festgestellten Probleme mit der streitgegenständlichen Preisanpassungsklausel wirtschaftlich nicht wesentlich zum Nachteil des Kunden ausgewirkt hatten. Insoweit verweist der BGH auf seine ständige Rechtsprechung, dass eine Preisänderungsregelung generell sicherstellen müsse, dass sich die vom Kunden zu tragende Preiskomponente der Wärmeerzeugungskosten nicht anders entwickle als die Kosten des Brennstoffbezugs. Der BGH spricht in diesem Zusammenhang von einem abstrakt-generellen Gleichlauf der Kostenkomponenten und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Preisanpassungsklausel bereits dann unwirksam ist, wenn dieser Gleichlauf nicht unter allen Umständen gewahrt ist.

Eine ergänzende Vertragsauslegung in Anlehnung an die Rechtsprechung zur unwirksamen Preisanpassungen im Bereich der Gas-Grundversorgung wird ebenfalls abgelehnt. Der BGH weist in diesem Zusammenhang nur knapp darauf hin, dass Wärmeversorgungsunternehmen anders als Grundversorger weder einem Kontrahierungszwang unterlägen noch Einschränkungen bei der ordentlichen Kündigung des Fernwärmelieferungsvertrages bestünden. Kartellrechtliche Restriktionen lässt der BGH in diesem Zusammenhang offenbar unberücksichtigt.

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Bei dieser Gelegenheit wünschen wir allen Leserinnen und Lesern unseres Blogs beste Gesundheit und eine baldige Rückkehr in den Regelbetrieb!!

Fernwärme: OLG Düsseldorf bestätigt 3-Jahres-Frist bei Rückforderungen

7. Januar 2019 um 19:17 von

OLG DUSDie Rückforderung von Zahlungen, die auf eine wegen Verstoßes gegen § 24 AVBFernwärmeV unwirksame Preisanpassungsklausel geleistet wurden, ist dann nicht (mehr) möglich, wenn der Kunde die Preiserhöhung nicht innerhalb einer Frist von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt wurde, beanstandet hat. Dies entschied das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 07.02.2018  (I-27 U 2/17) in Anlehnung an die Argumentation des BGH aus dessen Urteil vom 24.09.2014 (VIII ZR 350/13). Die ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 157, 133 BGB sei auch im Fall der Nichtigkeit nach § 134 BGB i.V.m. § 24 AVBFernwärmeV nicht ausgeschlossen, damit die durch die Nichtigkeitsfolge entstandene planwidrige Vertragslücke unter Berücksichtigung der Zielsetzung des § 24 AVBFernwärmeV in einer den beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien gerecht werdenden Weise ausgefüllt werden kann.

Das OLG beschäftigt sich zudem kurz mit den Voraussetzungen des Ausschlusses einer Rückforderung nach § 814 BGB, verneint diese aber mit dem Hinweis auf die nur unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen des Kunden (vgl. dazu z.B. Palandt-Sprau, § 814 BGB, Rn. 5).

LG Offenburg: Pooling-Regelungen teilweise unwirksam

10. August 2015 um 09:48 von

rope-461577_1280Das Landgericht Offenburg hat am 22.07.2015 ein Urteil gefällt, das erhebliche praktische Relevanz für die Netzentgeltabrechnung in sog. Pooling-Sachverhalten haben könnte. Konkret ging es um die in Pooling-Fällen oftmals schwierige Frage, wann eine kundenseitige galvanische Verbindung im Sinne von § 17 Abs. 2a Nr. 4 StromNEV vorliegt. Hier wird zum Teil eine streng technische Auffassung vertreten, wonach eine galvanische Verbindung nur dann besteht, wenn die Verbindung über elektrisch leitfähiges Material hergestellt wird. Im Fall des Landgerichts Offenburg war allerdings der nachgelagerte Netzbetreiber „nur“ über mehrere Umspannwerke mit dem Hochspannungsnetz des vorgelagerten Netzbetreibers verbunden. Es lag also auf der Umspannebene keine galvanische Verbindung im technischen Sinne vor.

Der vorgelagerte Netzbetreiber als Kläger im Rechtsstreit hatte die Anwendung der Pooling-Regeln verweigert und den Differenzbetrag zwischen dem sich ohne Anerkennung der Pooling-Regeln ergebenden Netzentgelt und dem von der Beklagten unter Anwendung der Pooling-Regeln anerkannten Netzentgelt gerichtlich geltend gemacht.

Das Landgericht Offenburg hat der Klage stattgegeben. § 17 Abs. 2a Nr. 4 StromNEV sei aufgrund des Wortlauts eindeutig und verlange eine galvanische Verbindung. Diese liege hier nicht vor. Eine über den Wortlaut hinausgehende großzügigere Auslegung komme nicht in Betracht.

Allein schon wegen dieser Gesetzesauslegung hätte die Entscheidung Aufmerksamkeit verdient. Was das Offenburger Urteil für die Praxis so bedeutsam macht, sind jedoch die weiteren Ausführungen des Landgerichts: Danach gibt es nämlich keinen sachlichen Grund, die Fälle einer galvanischen Verbindung und einer induktiven Verbindung über Transformatoren ungleich zu behandeln. Von daher verstoße § 17 Abs. 2a Nr. 4 StromNEV in seiner zweiten Alternative gegen das Diskriminierungsverbot und sei mithin insgesamt unwirksam. Nach dieser Logik kommt also ein Pooling selbst dann nicht in Betracht, wenn eine galvanische Verbindung in einem streng technischen Sinne vorliegt. Die einzig verbleibende Möglichkeit für ein zulässiges Pooling ist demnach, dass die Entnahmestellen Bestandteil desselben Netzknotens sind, § 17 Abs. 2a Nr. 4 erste Alternative StromNEV.

Die Entscheidung, die nicht rechtskräftig ist, wirft für die Praxis erhebliche Fragen auf. Denn ob die Pooling-Regeln zur Anwendung kommen oder nicht, hat auf die Höhe der zu zahlenden Netzentgelte oft eine ganz erhebliche Auswirkung. Von daher werden sich alle Netzbetreiber mit der Frage befassen müssen, ob aufgrund ihrer individuellen Anschlusssituation im Lichte der Entscheidung des Landgerichts Offenburg Ansprüche des vorgelagerten Netzbetreibers auf sie zukommen können und wie ggf. eigene Forderungen gegen nachgelagerte Netzbetreiber oder industrielle Endkunden gesichert werden können.

Quo vadis? – EuGH erklärt Preisanpassungen nach GVV für europarechtswidrig

23. Oktober 2014 um 14:24 von

road-block-453151_640Heute hat der Gerichtshof der Europäischen Union sein Urteil in den verbundenen Rechtssachen C-359/11 (Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.05.2011, VIII ZR 71/10) und C-400/11 (Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 29.06.2011, VIII ZR 211/10) verkündet. Gegenstand beider Rechtssachen waren Fragen zum deutschen Preisänderungsrecht gegenüber Kunden, die im Rahmen der allgemeinen Versorgungspflicht mit Gas oder Strom beliefert werden und deren Belieferung sich deshalb nach der AVBGasV, der AVBEltV bzw. deren Nachfolgeregelung StromGVV richtete. Demgemäß war das Recht der Versorger (§ 4 Abs. 1 AVBGasV, § 5 Abs. 2 StromGVV) vorgesehen, die Strom- oder Gaspreise einseitig zu ändern, ohne den Anlass, die Voraussetzungen oder den Umfang der Änderungen anzugeben. Es war aber sichergestellt, dass die Kunden über die Preiserhöhung benachrichtigt wurden und den Vertrag gegebenenfalls kündigen konnten. Der Bundesgerichtshof hatte mit den genannten Vorlagebeschlüssen dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage, inwieweit eine solche Regelung den sich aus der sog. Stromrichtlinie 2003/54/EG und der sog. Gasrichtlinie 2003/55/EG ergebenden Transparenzanforderungen genüge, zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union ist ein Verstoß gegen die „Stromrichtlinie“ 2003/54/EG und gegen die „Gasrichtlinie“ 2003/55/EG gegeben.

Zur Gewährleistung des sich aufgrund der Richtlinien ergebenden hohen Verbraucherschutzes müsse den Kunden nicht nur das Recht eingeräumt werden, sich im Fall von Preisänderungen aus dem Liefervertrag zu lösen, sondern auch die Befugnis, gegen die Preisänderung vorzugehen. Die Möglichkeit der Wahrnehmung dieser Rechte und einer Entscheidung über die Lösung vom Vertrag oder eines Vorgehens gegen die Preiserhöhung in voller Sachkenntnis setzt nach Meinung des Gerichtshofs der Europäischen Union voraus, dass der unter die allgemeine Versorgungspflicht fallende Kunde rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Änderung über deren Anlass, Voraussetzungen und Umfang informiert wird. Da dies in den genannten Verordnungen nicht vorgesehen sei, verstoßen sie gegen die zitierten Richtlinien der Europäischen Union.

Eine zeitliche Begrenzung der Wirkungen des Urteils lehnt der Gerichtshof der Europäischen Union ab, da insbesondere nicht dargelegt worden sei, dass die Infragestellung der Rechtsverhältnisse, deren Wirkung sich in der Vergangenheit erschöpft habe, rückwirkend die gesamte Branche der Strom- und Gasversorgung in Deutschland erschüttern würde. Die Auslegung der genannten Richtlinien gilt somit für alle in ihrem zeitlichen Anwendungsbereich erfolgten Änderungen.

Man darf gespannt sein, welche konkreten Auswirkungen das Urteil auf die nationale Rechtsanwendung entfalten wird.

Dortmunder Off-Peak

10. April 2014 um 11:14 von

DSC_2487-1Liebe Freunde der Kanzlei,

am 29.04.2013, 18:30 Uhr findet unser „Dortmunder Off-Peak“ erneut in der Weingalerie Kaiserstraße – VinoVin, Kaiserstr. 77, 44135 Dortmund statt.

Im Fokus dieser zweiten Veranstaltung stehen neben einem lockeren Austausch in gemütlicher Atmosphäre die in der Branche lang erwarteten Urteile des BGH vom 17.12.2013 (KZR 65/12 sowie KZR 66/12), die einen vorläufigen Schlusspunkt unter die in Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Fragen zur Ausgestaltung des Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG, zu möglichen Rügepflichten sowie zu den Rechtsfolgen fehlerhafter Konzessionsvergabeverfahren setzen.

Vgl. auch Blog-Beitrag: „BGH – Keine Ansprüche auf Netzübertragung bei rechtswidriger Konzessionsvergabe

Wir freuen uns sehr, dass sich Frau Gabriele Krater, Referatsleiterin Kartellrecht, Energiehandel, Vertriebsprodukte im Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen bereit erklärt hat, zur Einstimmung in einem kurzen Vortrag vor dem Hintergrund der BGH-Entscheidungen sowie der jüngsten OLG-Rechtsprechung aus ihrer Sicht den gesetzlichen Handlungsbedarf zu skizzieren. Für das leibliche Wohl ist im Rahmen einer Weinprobe gesorgt.

Zur Anmeldung schicken Sie uns eine E-Mail an off-peak@hoech-partner.de. Aus organisatorischen Gründen ist die Teilnehmerzahl begrenzt. Wir werden die Anmeldungen daher nach dem Prinzip first come, first served berücksichtigen.